Übersetzt hat den Roman von
Camille de Peretti übrigens Hinrich Schmidt-Henkel. Er ist nicht nur ein bekannter
und geschätzter Literaturübersetzer aus dem Französischen, sondern auch der
Vorsitzende des Verbands deutscher Literaturübersetzer (VDÜ). Ich muss daran
denken, dass seinerzeit, als „Nous vieillirons ensemble“ auf deutsch erschien,
ein Literaturkritiker mir gegenüber äußerte, wie froh er gewesen sei, in einer
Rezension eine Kritik am Übersetzer gelesen
zu haben. Der Rezensent hatte eigentlich gar nicht wirklich Kritik geübt,
sondern lediglich darauf hingewiesen, dass eine gewisse Schwäche im Text
eventuell auf den Übersetzer zurückzuführen sei. Natürlich hatte er dies nicht
überprüft. Um das deutsche Buch mit dem Original zu vergleichen hätte er
mindestens des Französischen mächtig sein müssen. Nebenbei hätte er zwei Bücher
statt einem und dann beide im Vergleich lesen müssen. Beim derzeitigen Preis
einer Feuilletonrezension ein reichlich wahnwitziger Gedanke – der eher in die
Richtung weist, in der etliche Literaturübersetzerinnen zu suchen sind, nämlich
in der Abhängigkeit eines verdienenden Ehepartners. Auch die Übersetzungskritik
wäre heute also ein schönes „Hobby für Hausfrauen und -männer“. De Facto gibt
es aber einfach keine. Also keine Übersetzungskritik. Wenn mal ein
wohlwollender Satz über die Übersetzerin fällt, kann man froh sein. – Jedenfalls:
Der Rezensent hatte die Überlegung geäußert, es könne, eventuell, so sein, dass
der Übersetzer schwache Stellen produziert habe. Dass die sprachliche Schwäche
des Buches also gar nicht der Autorin anzulasten sei. Und der Literaturkritiker
sagte mir erfreut: „Wie schön, dass dieser Hinrich Schmidt-Henkel mal
kritisiert wird! Der gilt doch unter Übersetzern als unantastbar.“ Aha, dachte
ich für mich: Wenn keine Kritik zu hören ist, ist das ein untrügliches
Anzeichen dafür, dass Kritik angebracht wäre. (Ein schöner Gedankengang.)
Überhaupt seien
Literaturübersetzer ja ein kritikwürdiges Völkchen, redete er sich ein wenig in
Rage, scheinbar froh, endlich mal allen Frust über diese enorm einflussreiche,
massenhaft auftretende und ob ihrer privilegierten Stellung nur zu beneidende Gruppe
ablassen zu können. Da gönne niemand dem anderen etwas. Jeder wolle es immer
besser übersetzt haben können als der, der es tatsächlich übersetzt hat. Und
überhaupt bildeten sie sich ja auch noch ein, die Übersetzung, die sie
geschrieben hätten, sei „ihr Text“. Frechheit, dachte ich! Die Schwächen eines
Textes werden, ohne dass man es überhaupt prüfen könnte, dem Übersetzer
anvermutet und dann bildet dieser sich auch noch ein, es handle sich bei dem
verpfuschten deutschen Text um seinen eigenen. (Aha.)
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